Incoterms richtig verhandeln: So sparst du Zeit, Nerven und bares Geld
FOB. CIF. DDP. EXW. Klingt wie eine Geheimsprache auf einem Logistik-Kongress? Willkommen in der Welt der Incoterms.
Viele schmeißen mit diesen Abkürzungen um sich, als hätten sie sie beim letzten Einkauf nebenbei mitbestellt. Dabei entscheiden sie über weit mehr als nur Transportfragen: Incoterms regeln Verantwortung, Risiko, Kosten – und nicht selten auch deinen Kontostand.
In diesem Artikel erklären wir die wichtigsten Incoterms, ihre Fallstricke – und wie du sie clever für dich nutzt, statt dich hinterher zu wundern, warum du plötzlich für den Zoll in Bremerhaven zuständig bist.
1. Was Incoterms eigentlich regeln – und was nicht
Incoterms (International Commercial Terms) sind weltweit standardisierte Regeln, die festlegen, wer in einer Lieferkette wofür verantwortlich ist: Transport, Versicherung, Verzollung, Risikoübergang. Klingt trocken? Ist aber bares Geld wert.
Sie definieren ganz genau, wann die Verantwortung für die Ware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. Das betrifft sowohl den organisatorischen Aufwand als auch das finanzielle Risiko.
Was viele nicht wissen: Incoterms regeln nicht Zahlungsziele, Lieferzeiten oder Vertragsstrafen bei Verzögerungen. Sie sagen dir nicht, wann deine Ware kommt, sondern nur, wer sie wohin bringt – und wer sich unterwegs um welchen Teil kümmert.
Deshalb: Incoterms niemals isoliert betrachten. Sie sind ein Puzzlestück im Gesamtbild deiner Einkaufsstrategie – nicht die ganze Geschichte.
2. Die gängigsten Incoterms im China-Einkauf
Es gibt 11 offizielle Incoterms, aber nur wenige davon sind im internationalen Einkauf mit China wirklich relevant. Hier ein schneller Überblick über die vier Klassiker:
- EXW (Ex Works): Der Lieferant stellt die Ware in seinem Werk zur Verfügung – abholen musst du selbst. Du bist für alles zuständig: die richtige Versandverpackung, Transport, Ausfuhranmeldung, Zoll, Versicherung. Vorteil: volle Kontrolle. Nachteil: volle Verantwortung.
- FOB (Free on Board): Der Lieferant bringt die Ware zum Hafen, verlädt sie aufs Schiff – ab dem Verladedatum liegt das Risiko bei dir. Du kümmerst dich um Seefracht, Versicherung und alles, was danach kommt. Klingt fair – kann es auch sein, wenn die Distanz vom Werk zum Hafen passt.
- CIF (Cost, Insurance, Freight): Der Lieferant organisiert den Transport bis zum Zielhafen und schließt eine Transportversicherung ab. Klingt entspannt – aber du bist für Zollabwicklung und Inlandstransport zuständig. Und Achtung: Die Versicherung deckt oft nur den absoluten Mindestwert.
- DDP (Delivered Duty Paid): Der Lieferant übernimmt alles: Transport, Versicherung, Zoll, Steuern. Du bekommst die Ware vor die Tür geliefert. Aber: Wenn was schiefläuft, hast du kaum Kontrolle. Außerdem bauen viele Lieferanten einen satten Risikoaufschlag ein – oder wissen schlicht nicht, wie die EU-Zollpraxis funktioniert.
3. Der Klassiker: FOB ist nicht immer besser
FOB ist die gefühlt sicherste Bank unter den Incoterms. Viele Importeure setzen darauf, weil es sich „professionell“ anhört und in den meisten Angeboten sowieso drinsteht. Aber ist es deshalb auch die beste Lösung?
Nicht unbedingt. FOB setzt voraus, dass der Lieferant Zugang zu einem Seehafen hat und die nötige Exportdokumentation problemlos liefern kann. Wenn das Werk aber in Zentralchina liegt und die Ware erst 1.000 Kilometer weit auf einem überfüllten LKW zum Hafen gefahren werden muss – dann zahlst du dafür. Nicht immer mit Geld. Manchmal mit Zeit und Nerven.
Hinzu kommt: FOB heißt nicht automatisch, dass du weißt, wie die Ware verpackt, gelagert oder verladen wurde, was ein riesiger Nachteil ist. Die Verladungssicherheit sorgt dafür, dass deine Ware nicht beschädigt ankommt. Der Moment des Risikoübergangs ist klar definiert – aber was bis dahin passiert, musst du selbst prüfen.
4. Warum DDP zu schön klingt, wenn man’s nicht richtig macht
Delivered Duty Paid – klingt wie der perfekte Deal.
Du bestellst, wartest und bekommst die Ware direkt an die Tür geliefert. Kein Stress mit Speditionen, kein Zollformular, keine Rückfragen. Theoretisch. In der Praxis ist DDP genau dann ein Problem, wenn man nicht weiß, was man tut –oder mit jemandem zusammenarbeitet, der nur so tut, als wüsste er’s.
Wir sehen es immer wieder: Lieferanten versprechen DDP, wissen aber nicht, wie EU-Zollregelungen tatsächlich funktionieren. Plötzlich liegt der Container fest. Kein Ansprechpartner, keine Dokumente – und du hast den Ärger.
Noch ein Punkt: DDP ist oft teurer als es aussieht. Lieferanten kalkulieren pauschale Aufschläge, um sich gegen alle Eventualitäten abzusichern – ob sie eintreten oder nicht.
Heißt das, DDP ist Unsinn? Nein. Aber es funktioniert nur, wenn man den Weg, die Pflichten und die Stolperfallen kennt.
Unser Tipp: Wenn du DDP nutzt, dann mit Partnern, die wissen, was sie tun –und Verantwortung nicht nur versprechen, sondern übernehmen.
5. Wie du Incoterms strategisch nutzt
Jetzt der spannende Teil: Incoterms sind nicht nur ein Pflichtfeld im Angebot. Sie sind dein strategisches Werkzeug, um Einkaufsvorteile zu sichern.
Ein paar Tipps aus der Praxis:
- Kenntnis ist Verhandlungsmacht: Wenn du weißt, was EXW oder CIF wirklich bedeuten, kannst du realistisch einschätzen, was der Lieferant leistet – und was du selbst besser organisierst.
- Details klären: „FOB Shanghai“ ist ein Anfang – aber frag nach: Wer trägt die Kosten der Hafengebühren? Wer stellt das Bill of Lading aus? Gibt es Zwischenlagerung?
- Logistikpartner einbeziehen: Du musst nicht alles selbst machen. Wenn du ein gutes Speditionsnetzwerk hast, lohnt es sich, mehr Verantwortung selbst zu übernehmen – und beim Einkauf zu sparen.
- Szenarien durchspielen: Was passiert, wenn der Container zu spät kommt? Wer haftet, wenn die Ware beschädigt ist? Diese Fragen sind nicht hypothetisch – sie entscheiden im Ernstfall über Gewinn oder Verlust.
Fazit:
Incoterms sind keine lästigen Fußnoten. Sie sind Spielregeln – und wer sie kennt, spielt besser. Wer sie ignoriert, bekommt schnell die Quittung.
Gute Incoterms-Vereinbarungen machen deinen Einkauf effizienter, sicherer und günstiger. Schlechte Entscheidungen kosten dich Geld, Zeit und Vertrauen.
Wenn du keine Lust hast, dich allein durch das Abkürzungs-Dickicht zu kämpfen – sprich uns an. Wir machen das täglich. Und wissen genau, welche drei Buchstaben du brauchst.
22.04.25 11:43
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